Offene Kinder- und Jugendarbeit ist systemrelevant
Wir fordern die Entscheidungsträger*innen auf, die Bedeutung der Digitalität in der Jugendarbeit anzuerkennen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen – etwa durch die Bereitstellung und Finanzierung notwendiger technischer Ausstattung und zusätzlicher Leistungsstunden – zu schaffen. Die Aufforderungen der Bezirksämter zu Austausch, Transparenz und gemeinsamer Lösung während der Corona-Pandemie kann keine Einbahnstraße sein.
Jugendarbeit ist systemrelevant, Stellungnahme und Forderungen zur aktuellen Situation. Kritische Anmerkungen zur Finanzierungslogik in Berlin während, vor und nach der Corona-Pandemie
Die Landesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit versteht sich als Interessenvertretung für die etwa 400 Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen in Berlin.
Der LAG OKJA Berlin ist bewusst, dass die Corona-Pandemie die soziale Infrastruktur und die an ihr beteiligten Akteur*innen vor besondere Herausforderungen gestellt hat und dies auch nach wie vor tut. Der Kinder- und Jugendarbeit in Berlin wurde in dieser Phase nur wenig, wenn dann nur vereinzelt, Beachtung geschenkt. Unterstützungs- und Vernetzungsmöglichkeiten seitens der Jugendämter waren zum Teil rar.
Die Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit haben die Zeit daher genutzt, um sich im Interesse der Kinder und Jugendlichen selbst zu organisieren, kollegial zu unterstützen und zu politisieren. Die Corona-Pandemie im vergangenen Monat und die damit einhergehenden Entwicklungen im Land Berlin haben einmal mehr die besonderen Potentiale, vor allem aber die Herausforderungen von Offener Kinder- und Jugendarbeit in den 12 Berliner Bezirken offen gelegt.
Die gesamtstädtische und bezirkliche Informationspolitik zur Kinder- und Jugendarbeit wirkte in dieser Zeit fragil und zerfasert. Wie leider in der Vergangenheit wiederholt zu beobachten war, kursieren auch jetzt verschiedene Informationen und Schreiben zum Umgang der Kinder- und Jugendarbeit mit der Corona-Pandemie in den Bezirken. Wir werben – erneut und verstärkt – für ein einheitliches Verfahren in Berlin; sowohl bei der Wiedereröffnung der Einrichtungen als auch in Bezug auf die Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit, um die es in diesem Schreiben im Besonderen gehen soll.
Im Anschluss an unseren Offenen Brief vom 25. März 2020 (https://berlin-jugendarbeit.com/offener-brief-corona/) möchten wir Sie als Entscheidungsträger*innen in Politik und Verwaltung ein weiteres Mal höflich dazu auffordern, die Kinder- und Jugendarbeit in ihrer Systemrelevanz für junge Menschen anzuerkennen. Dazu bedarf es, aus unserer fachlichen Sicht: 1. einer gemeinsamen Entscheidung, 2. ein abgestimmtes und einheitliches Verfahren sowie 3. eine transparente und überbezirkliche Kommunikation.
Gemeinsame Entscheidung – Gemeinsames Handeln
Die Jugenförder*innen und Amtsleiter*innen aller 12 Berliner Bezirke haben sich am 01. April 2020 dafür ausgesprochen, die Finanzierung der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen während/ trotz der Corona-Pandemie sicherzustellen. Die vereinbarten Zuwendungs- oder Leistungsverträge sollen rechtskräftig verbleiben.
Die LAG OKJA Berlin begrüßt die Entscheidung und anerkennt diese gemeinsame mündliche Absicht. Die vollständige Weiter- und Ausfinanzierung der Kinder- und Jugendarbeitslandschaft ist in einer Krise unerlässlich und darf aus politischer und jugendarbeitspolitischer Sicht nicht in Frage gestellt werden. Wir sehen in der Absichtserklärung ein wichtiges Zeichen und ein Bekenntnis, die Arbeitsfähigkeit der Kinder- und Jugendarbeit sicherzustellen. Eine mündliche (in vereinzelten Bezirken auch schriftliche) Absichtserklärung bietet den Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen und mobilen Angeboten in Berlin jedoch keinerleiSicherheit! Im Gegenteil: Eine ausschließlich mündliche Absichtserklärung sichert kein einheitliches vor allem gesamtstädtisches Verfahren bei der Umsetzung, wie u.a. die unterschiedlichen Schreiben und Aufforderungen zur Mengenerfassung aus den 12 Bezirken eindrücklich zeigen. Diese unabgesprochenen Vorgehensweisen führen zu Uneindeutigkeit und Verunsicherung.
Wir fordern die Entscheidungsträger*innen bei aller Unterschiedlichkeit der Bezirke (Zuwendungsverträge, Leistungsverträge, QM, kommunal, nicht-kommunal usw.) dazu auf, sich einheitlich zur Ausfinanzierung der Berliner Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen während der Corona-Pandemie zu positionieren und abgestimmt zu handeln. Wir fordern eine Entscheidung und ein einheitliches, transparentes Verfahren – über die Bezirksgrenzen hinweg! Schreiben einzelner Akteur*innen in den Bezirken sind nicht dienlich, sondern erreichen das Gegenteil. Wir empfehlen ein geordnetes, überbezirkliches Verfahren in Sachen Geschwindigkeit, Form und Inhalt der Informationsweitergabe zur Frage der Finanzierung in und nach Corona-Zeiten und keinen Berliner Flickenteppich.
Lineares Planmengenverfahren in Corona-Zeiten auch kritisch reflektieren
Berlin hat sich – in Sachen Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit während der Corona-Pandemie – für das sogenannte „Ein-Zwölftel-Berechnungs-Modell“ für die Monate März und April 2020 entschieden. Jeweils 1/12 der in den Leistungs- oder Zuwendungsverträge kalkulierten Planleistungsstunden (Kostenpläne) können auf diese Weise monatlich abgerechnet werden (lineares Berechnungsverfahren).
Mit der Idee dieser linearen Berechnung von Leistungsstunden wurde eine einfache Regelung gefunden, die den Kinder- und Jugendeinrichtungen in einigen Berliner Bezirken eine schnelle mündliche Zusicherung zur Weiterfinanzierung ermöglichte. Mit der Umsetzung dieser Abrechnungsweise ergeben sich aus unserer Sicht jedoch problemreiche Folgen:
Die lineare Berechnung von Leistungsstunden (LS) in den Monaten März und April 2020 legt die Annahme nahe, dass Offene Kinder- und Jugendarbeit in Zeiten der Corona-Pandemie die sich verändernden Bedarfe junger Menschen in gleicher Weise wie bisher berücksichtigen kann, respektive analoge Angebote einfach in Online-Variationen übersetzt werden können. Der mit der Umstellung unserer Arbeit von Offline- zu Online-Angeboten verbundene Mehraufwand wird dabei ebenso wenig berücksichtigt wie die Vielfalt der Angebotsformen und die ohnehin Unterausstattung der Einrichtungslandschaft. Darüber hinaus kann digitale Jugendarbeit analoge Jugendarbeit quantitativ nicht ersetzen.
Berlin verfügt bislang über kein einheitliches Verfahren zur Ermittlung und Abrechnung der jährlich durch die Kinder- und Jugendeinrichtungen zu erwirtschaftenden Leistungsstunden in den Bezirken. Jeder Bezirk gestaltet seine Leistungs- oder Zuwendungsverträge (inkl. Mischfinanzierungen usw.) einschließlich der dafür notwendigen Kostenpläne unterschiedlich. Es gibt also trotz überarbeitetem Qualitätshandbuch und neuer Standardbemessungsgrundlage weiterhin keine Einheitlichkeit bei der Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit in Berlin. Die Ausstattung ist höchst unterschiedlich, was sich infolgedessen auch auf die vorgeschlagene Variante zur linearen Berechnung der Leistungsstunden auswirkt. Die Frage, die sich also stellt, lautet: „Ein Zwölftel von was?“ Wird in Folge der aktuellen Herausforderungen eine, in allen Bezirken einheitliche, lineare Abrechnung vorgenommen, führt dies in Folge zu einer Verstärkung der Uneinheitlichkeit zwischen den Bezirken. Bezirke, die ihre Einrichtung bislang prekär ausstatten, tun dies weiter Bezirke, die ihre Angebote vergleichsweise besser finanzieren, profitieren.
Der Vorschlag zur linearen Abrechnung von Kinder- und Jugendarbeit während der Corona-Pandemie scheint deutliche Schwächen zu bergen. Diese Schwächen weisen auf grundsätzliche Widersprüche und Mängel im Kosten-Leistungs-Prinzip selbst hin. Daher Folgendes:
Aus der Not lernen und Kosten-Leistungs-Rechnung überdenken
Die Corona-Pandemie zeigt einmal mehr, was schon vorher kritisch beobachtet werden konnte: Die Nutzung einer Kosten-Leistungs-Rechnung-Logik, zur Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit, war und ist fachlich nicht vertretbar. Sie reduziert und denunziert die Kinder- und Jugendarbeit auf quantifizierbare Größen, die mit der Realität praktischer sozialpädagogischer Arbeit in den Einrichtungen und Angeboten von Kinder- und Jugendarbeit, vor allem aber mit den Lebenswelten junger Menschen nichts zu tun hat.
Die Qualität von Kinder- und Jugendarbeit lässt sich nicht allein quantitativ ermitteln. Auch der neu eingeführte Produktkatalog (Produkte 80963 bis 80970) setzt der Finanzierungslogik, Angebote via Stückkosten (Stückkosten 2018: 52,91 € für eine Angebotsstunde beim kommunalen Träger, 37,37 € für eine Angebotsstunde beim freien Träger), zu berechnen und zu (re-)finanzieren kein qualitatives Element entgegen. Vielmehr zementiert es die Konkurrenz zwischen den Bezirken und das Buhlen um begrenzt zur Verfügung stehende Mittel.
Das Korsett eines – wie auch immer gearteten – Produktkataloges behindert die Kreativität, das um-die-Ecke denken, bei der Entwicklung von Angeboten. Die neue Produktlandschaft versucht die Angebotsvielfalt von Jugendarbeit ausdifferenzierter abzubilden. Dies wird jedoch bereits zu Beginn eines jeden Jahres mit der Notwendigkeit einer quantifizierbaren und verbindlichen Aussage, welche Produkte und wie viele Leistungsstunden in 12 Monaten umgesetzt und bebucht werden müssen, ausgehebelt.
Flexibilität, Kreativität und die Beteiligung junger Menschen wirkt daher aus kalkulatorischer Verwaltungssicht unerwünscht. Der Umgang mit den neuen Produkten in Berlin ist abenteuerlich. Der Versuch im Zuge des Jugendfördergesetzes ein einheitliches Verfahren einzuführen, ist bislang gescheitert. Ein Mehr an Flexibilität und Freiheiten bei der qualitativen Erfassung praktischer Arbeit würde nicht nur die Angebotslandschaft bereichern, sondern wäre auch ein Zugewinn für die Freizeiterfahrungen junger Menschen.
Die Intransparenz und die wenigen Rückkopplungsmomente in der Erprobungsphase schaffen Unsicherheiten und behindern die Kreativität bei der Entwicklung von Angeboten. Das führt zur Erhöhung des bürokratischen Aufwands für die Einrichtungen um Arbeitsstunden, die wiederrum im sogenannten Hauptprodukt (80963 und 80964 aber auch 80966) gar nicht erfassbar bzw. (wenn dann nur im geringen Anteil) anrechenbar sind. Die ist aus Sicht der LAG ein Paradoxon. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie definiert jeder Bezirk erst einmal für sich, was zur linearen Abrechnung von Kinder- und Jugendarbeit genutzt werden darf. Wir fordern hier um eines mehr, auch die fantastische und solidarische Vernetzungsarbeit der Kolleg*innenschaft abrechenbar zu machen. Einzelne Bezirke formulieren Aussagen „rechnet erst mal alles ab, was ihr könnt“ (egal wie viel), andere Bezirksämter bremsen die Einrichtungen und definieren vor, was in Zeiten der Corona-Pandemie abrechenbar sei. Wir fordern die Bezirksämter abermals auf, sich mit den beruflichen Realitäten von Kinder- und Jugendarbeit auseinanderzusetzen und ein einheitliches Verfahren zu definieren und umzusetzen!
Keine Zweckentfremdung von Leistungsstunden der Kinder- und Jugendarbeit während der Corona-Pandemie
Der Entscheidung zur Finanzierung von Jugendarbeit während der Corona-Pandemie steht die Praxis der Zweckentfremdung von Leistungsstunden der Kinder- und Jugendarbeit gegenüber.
Kinder- und Jugendarbeit ist seit jeher ein solidarisches Handlungsfeld. Wenn jedoch originäre Jugendarbeiter*innen in anderen Einsatzfeldern der Kinder- und Jugendhilfe zum Einsatz kommen, bedarf es einer zusätzlichen Finanzierung dieser Arbeit. Es muss dafür eine Finanzierung gefunden werden, die sich eben nicht aus dem ohnehin unterausgestatteten Budget der Kinder- und Jugendarbeit speist. Die Leistungsstunden (Mengen) müssen den Kindern und Jugendlichen in ihren Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, auch und vor allem unter den aktuellen Herausforderungen, erhalten bleiben (Ausfallfinanzierung).
Der Einsatz von Fachkräften der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in arbeitsbereichsfremden Einsatzfeldern mit u.a. ordnungsrechtlichem Charakter widerspricht darüber hinaus den Grundsätzen von Offener Arbeit. Personelle Ressourcen des Arbeitsbereiches sind nicht zweckzuentfremden und Fachkräfte nicht zu Erfüllungsgehilfen eines überforderten Systems zu machen. Die LAG OKJA Berlin stellt sich solidarisch an die Seite der Jugendförder*innen und Sozialraumkoordinator*innen mit ihren im Kinder- und Jugendarbeitsprodukt (80970) hoheitlich definierten Aufgaben. Jugendarbeiter*innen in der Verwaltung dürfen nicht für restriktive Kiezspaziergänge o.ä. zweckentfremden werden. Jugendarbeit heißt Demokratiebildung und nicht Ordnungshüterei!
Produktkatalog zur Jugendarbeit muss digitale Kinder- und Jugendarbeit berücksichtigen
Die Corona-Pandemie zeigt deutlich, dass der aktuelle Produktkatalog an die Lebensrealitäten von jungen Menschen angepasst werden muss und damit nicht ausschließlich einer quantitativen Logik folgen darf.
Die Fachkräfte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit haben in der Corona-Pandemie ihr Improvisationstalent, aus wenig/ nichts das Beste herauszuholen, unter Beweis gestellt. Dies darf jedoch kein Freifahrtschein für das Ausruhen der Entscheidungsträger*innen sein! Angebote im Bereich digitaler Kinder- und Jugendarbeit, die aktuell unter Hochdruck und mit viel Kreativität installiert werden, müssen auch nach der Pandemie erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang bedarf es der kurzfristigen Überprüfung und einpflege von digitalen Angeboten in den grundlegend zu überarbeitenden, allerdings kurzfristig ausschließlich zur Verfügung stehenden, Produktkatalog von Kinder- und Jugendarbeit! Digitale Jugendarbeit ist im Produktkatalog bislang nicht benannt. Auf Grund seines speziellen Charakters ist aus Sicht der LAG ein eigenes Produkt mit separater Finanzierung notwendig. Darüber hinaus fordert die LAG OKJA Berlin die nachhaltige personelle und sächliche Ausstattung der Einrichtungslandschaft zur nachhaltigen Aufrechterhaltung aller genannten Angebote, auch die der digitalen Jugendarbeit.
Die LAG OKJA Berlin fordert mittel- und langfristig eine grundsätzliche Überarbeitung des Produktkataloges. Es gibt eine Vielzahl bisher hier nicht berücksichtigter für qualitative Kinder- und Jugendarbeit jedoch dringend notwendiger Tätigkeiten (bspw. Vernetzungsarbeit, Politisierung), die – sollte man auch in Zukunft das KLR-System erhalten – abrechenbar sein müssen. Der gesamten Jugendarbeitslandschaft muss gem. § 80 Abs. 3 SGB VIII das Recht zugestanden werden, sich an dieser Erarbeitung beteiligen zu können.
Produkt 80967 zur Umsetzung von Kinder- und Jugenderholung ernstnehmen (Ferienmaßnahmen, Internationale Begegnungen usw.)
Im Rahmen des neuen Produktkatalogs wurde das Produkt 80967 Angebotsform 3 „Erholungsfahrten und -reisen, internationale Begegnungen – auch durch freie Träger“ neu eingeführt und finanziell ausgestattet. Leider scheint es, trotz eines berlinweit einheitlichen Kataloges, kein einheitliches Verständnis zu diesem Produkt zu geben. Wie in anderen Bereichen, zeichnet sich auch hier ein bezirklicher Flickenteppich ab. Werden in einigen Bezirken ausschließlich Ferienfahrten finanziert, werden in anderen Bezirken darüber hinaus internationale Begegnungen und/ oder zentrale (kommunale) Ferienmaßnahmen ohne Ausschreibung und Beteiligungsmöglichkeiten freier Träger und/ oder von Bildungsstätten implementiert.
Unabhängig von der Definition des Produktes, wiederholt sich an dieser Stelle der an anderer Stelle bereits ausführlich dargestellte Transparenz- und Kommunikationsmangel seitens der bezirklichen Verantwortlichen. Während einige Bezirke vorpreschen und Aussagen zur Absage oder Verschiebung in die zweite Jahreshälfte tätigen, gibt es in anderen Bezirken keinerlei Rückmeldung an die freien Träger. Die LAG fordert eine gesamtstädtische Lösung im Umgang mit dem Produkt Ferienmaßnahmen – grundsätzlich und speziell in Zeiten der Corona-Pandemie! Die Tendenz der Entscheidungsträger*innen bereits geplante Maßnahmen komplett in die zweite Jahreshälfte 2020 zu verlegen, erscheint aus Sicht der LAG OKJA Berlin mehr als unrealistisch. Wir fordern die politisch und bezirklich Verantwortlichen auf, die Expertise der Jugendbildungsstätten oder Anbieter*innen von Ferienmaßnahmen und freien Träger in diesem Bereich aktiv zu nutzen und gemeinsam an einer Lösung im Interesse junger Menschen zu erarbeiten!
Die LAG OKJA Berlin fordert die bedingungslose Anerkennung von Jugendbildungsstätten als Teil von Kinder- und Jugendarbeit. Die Jugendbildungsstätten sind ein wichtiges Element der Kinder- und Jugendförderung mit einem eigenständigen Bildungsauftrag. Nicht nur Jugendverbände und Jugendeinrichtungen nutzen diese zur Ergänzung ihrer Arbeit. Die Corona-Pandemie stellt die Arbeit der Jugendbildungsstätten und ihre zukünftige finanzielle Sicherung vor besonders große Herausforderungen. Erwartete und wichtige Einnahmen entfallen, aufgrund der Kontaktsperren und Versammlungsverbote, bis in die Sommerferien. Die bezirklichen Entscheidungen zum Umgang mit bereits abgesagten oder abzusagenden Erholungsmaßnahmen müssen diese Besonderheit berücksichtigen.
Schlussfolgerung
Die Stellungnahme der LAG OKJA Berlin skizziert exemplarische Probleme und Herausforderungen, vor denen die Trägerlandschaft der Kinder- und Jugendarbeit speziell im Bereich der Finanzierung und in diesem Bundesland zur Anwendung kommenden Kosten-Leistung-Rechnung steht. Der sich zeigende Flickenteppich ist Symptom eines tieferliegenden Problems, welches wir im wettbewerblichen Auftreten der Bezirke und der Verteilung zur Verfügung stehender finanzieller Ressourcen zur Umsetzung von Kinder- und Jugendarbeit sehen. Dies wiederum ermöglicht erst überhaupt die mangelnde Transparenz einzelner Bezirke während der Corona-Pandemie. Keiner der Bezirke möchte Probleme offenlegen, wobei jeder um die Herausforderungen und Fallstricke weiß. Ein Mehr an Transparenz, kollegialem Austausch und solidarischem Miteinander ist Grundpfeiler eines nachhaltigen Controllings auf Senats- und bezirklicher Ebene.
Die LAG OKJA Berlin fordert die Entscheidungsträger*innen, im Sinne einer prozessorientierten Qualitätssicherung und trotz der unlängst stattgefundenen Einführung des Jugendfördergesetzes auf, das Prinzip der Kosten-Leistungs-Rechnung zur Finanzierung der Berliner Kinder- und Jugendarbeit endlich grundlegend zu überdenken. Alternative Finanzierungs- und Abrechnungsmöglichkeiten, wie sie in anderen Bundesländern bereits erfolgreich umgesetzt werden, gilt es zu evaluieren und sich ihnen anzuschließen! Die LAG OKJA Berlin wird dazu alsbald ein offenes Think Tank anbieten, an dem auch Finanzcontrollende / Fachsteuernde und andere wichtige Akteur*innen wie Sozialraumkoordinator*innen zur Teilnahme eingeladen sind. Wir wünschen uns ein Dialog auf Augenhöhe.
Die Zeiten, dass Menschen ihr Verhalten den Medien und Technologien anpassen sind vorbei. Wir und vor allem junge Menschen – also die Besucher*innen unserer Kinder- und Jugendarbeitsangebote, – erwarten, dass sich Technologien und Medien ihnen anpassen. Offene Kinder- und Jugendarbeit muss sich an den Bedürfnissen und Interessen junger Menschen orientieren und weiterentwickeln. Dazu zählen ganzheitliche Strategien, die auch die Digitalität als Querschnittsthema in der Jugendarbeit berücksichtigen.[1][1]
Wir fordern die Entscheidungsträger*innen auf, die Bedeutung der Digitalität in der Jugendarbeit anzuerkennen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen – etwa durch die Bereitstellung und Finanzierung notwendiger technischer Ausstattung und zusätzlicher Leistungsstunden – zu schaffen. Die Aufforderungen der Bezirksämter zu Austausch, Transparenz und gemeinsamer Lösung während der Corona-Pandemie kann keine Einbahnstraße sein.
Die Berliner Kinder- und Jugendarbeit hat in den vergangenen Wochen mit Kreativität und Leidenschaft überzeugt. Sie andernfalls einzig und allein bzw. wiederholt(!) als Feuerlöscher*in zu markieren, ist inkorrekt und entbehrt jeglicher Fachlichkeit. Die Einsatzbereitschaft aller Jugendarbeiter*innen ist kein Novum während der Pandemie, sondern zählt zu den genuinen Bestandteilen unseres Handlungsfeldes: flexibel, offen, lebensweltorientiert! Egal ob digital und/ oder analog.
Es ist an der Zeit, sich als Verwaltung und Politik durch solidarisches und emanzipatorisches Handeln an die Seite aller Kinder- und Jugendarbeiter*innen in allen 12 Berliner Bezirken zu stellen. Nicht durch einzelne Schreiben und Verfahren, sondern durch eine abgestimmte Kommunikation, welche die Kolleg*innen in ihrer Arbeit anerkennen, entlasten und unterstützen.
Die Sicherstellung und der Ausbau der Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit muss selbstverständlich sein! Jetzt während der Corona-Pandemie, aber auch in den anstehenden Haushaltsdebatten. Die erwartbaren leeren Staatskassen dürfen bundesweit nicht auf Kosten der Kinder- und Jugendarbeit gehen. Sollte es einen Nachtragshaushalt im Zuge der Corona-Pandemie in im Land Berlin geben, muss die Kinder- und Jugendarbeit finanziell davon profitieren!
Die derzeitigen Entwicklungen im Land Berlin und darüber hinaus bieten die einmalige Chance, die eigene Struktur zur Finanzierung von Kinder- und Jugendarbeit, vor allem aber die bisherige (jugend)politische Wertigkeit unseres Handlungsfeldes zu überprüfen. Jugendarbeit war, ist und bleibt agil, innovativ, direkt und systemrelevant. Nicht nur in Krisenzeiten. Dafür braucht sie gute Rahmenbedingungen, auch in Zukunft!
Dieses kritische Statement zur Finanzierung der Berliner Kinder- und Jugendarbeit und die darüber hinaus angeführten Punkte sollen Anlass sein, die vermeintlich richtigen Entscheidungen und handlungspraktischen Konsequenzen für unser Handlungsfeld grundlegend zu überdenken und progressiv realitätsbezogene Schlüsse zu ziehen. Die LAG OKJA Berlin bietet sich als offene und dynamische Gesprächspartner*in in diesen Zeiten und darüber hinaus an!
Es bedarf eine solidarische Politisierung aller Jugendarbeiter*innen – in Praxis, Verwaltung, Politik und Wissenschaft – um sich gemeinsam gegenüber Akteur*innen wie der Senatsfinanzverwaltung streitbar zu positionieren. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Landesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit Berlin, 24.10.2020